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Ernst's Velotouren

  
 
 
 
 
 
Fahrradtour 2008 - 2013
Erste Etappe Schweiz - Thailand
Teil 6: Süd-Kasachstan
, Juli 2008
Nach einer Pause in Aral fuhr ich wieder in die endlose und vor Hitze flimmernde Weite hinaus. Die ganze Region der Kasachensteppe um Aral ist knochentrockene Halbwüste. Nur noch wenige Pflanzen bedecken den ausgedörrten Sandboden, kleine, sandige Windhosen wirbeln über die Landschaft und ausser Kamelen und Fliegen kann kaum ein Lebewesen in dieser Landschaft überleben.
Bild: Da war einst ein See so gross wie ein Meer, der sie ernährte. Heute leben sie in einer Halbwüste.
Ein Wasserkonsum von 10 Litern und mehr (ohne kochen oder waschen) ist für eine Tagesdistanz von 150 km inzwischen zur Normalität geworden. Allerdings leidet der Appetit darunter und der Körper wird immer wie drahtiger - was in Anbetracht der kommenden Bergetappen im Tienshan- und Pamir-Gebirge sicher nicht schadet, zumal ich noch immer über ein paar Kilos Reserve verfüge.
Bild: Nichts als endlose, weite Halbwüste.
Bild: Camping bei Vollmond.
Ausser den paar kleinen Ortschaften entlang der Bahnlinie, bestehend aus ein paar Häusern, gab es oft nichts als weite Wüste. Zuweilen musste ich 100km und mehr fahren, um wieder zu einer kleinen Strassenkneipe zu kommen. Die Qualität des Essens war oft zwischen lecker und blankem Entsetzen (gegessen habe ich notgedrungen alles, habe mir aber auch mehrmals die Verdauung verdorben). Die Kneipen hatten meistens auch kühle Getränke im Angebot, was in Anbetracht der Wüste und Temperaturen von über 40°C eine Wohltat ist.
Bild: Kleine Ortschaft bestehend aus zwei, drei Häusern entlang der parallelen Bahnlinie.
Bild: Halbwüste kurz vor Zhosaly.
Ab Zhosaly folgte die Strasse dem Syr Darja Fluss gegen Süden und die Landschaft wurde innerhalb eines einzigen Fahrtages grüner. Vereinzelt standen sogar wieder schattenspendende Bäume in der Landschaft, was ich zuletzt vor Elista in Russland gesehen hatte, vor fast 2500 Kilometern.

In Kyzylorda habe ich mir in einem guten Hotel einen Pausentag gegönnt.
Bild: Homepage updaten und angeschlagene Verdauungsschläuche regenerieren in Kyzylorda.
Bild: Ein Blick auf Kyzylordas Zentrum von den Aussenbezirken. An Schönheit sind die kasachischen Ortschaften leicht zu überbieten.

Nach Kyzylorda entfernte sich die Strasse wieder etwas vom Syr Darja und die weiteren Fahrtage verliefen wie gewohnt durch die vor Hitze flimmernde, staubtrockene Steppe, die nirgends ein schattiges Plätzchen zur Rast bot. Zudem konnte ich mich vor lauter Müdigkeit kaum noch im Sattel halten, da die Verdauungsbeschwerden leider noch nicht auskuriert waren. So habe ich notgedrungen in Shanakurgan einen weiteren Pausentag eingelegt.

Bild: Weiter durch die knochentrockene und flimmernde Steppe in Richtung Türkistan.
In der Stadt Türkistan steht das Mausoleum von Khoja Ahmed Yasawi (1103-1165), einem bedeutenden Sufi und Poeten. Der Sufismus (islamische Mystik) ist bis heute die vorherrschende Form des Islam in Zentralasien.

Das Mausoleum wurde im Auftrag des Mongolen-Herrschers Timur zwischen 1389 und 1405 errichtet und ist seit 2003 Teil des Weltkulturerbes der UNESCO.
Bild: Das Mausoleum von Khoja Ahmed Yasawi (1103-1165) in Türkistan.
Von Türkistan bin ich mit einem Bus nach Alamty gefahren, um die benötigten Visa für Kirigstan und China zu beantragen. Das kirgisische Visa war wie gewünscht innerhalb ein paar Stunden ausgestellt.

Während ich noch dachte, dass es mit dem chinesischen Visa Probleme gäbe, musste ich ernüchtert feststellen, dass dem gar nicht so ist. Die chinesischen Behörden vor Ort verneinten das Ausstellen von Visa nicht, stellen aber bürokratische Hürden, die unmöglich zu bewältigen sind. Somit steht man vor einem Problem, das gar keines mehr ist. Wie aber weiter? An den Baikalsee fahren? Warten bis nach der Olympiade? Unentschlossen und unverrichteter Dinge bin ich zurück nach Türkistan gefahren und mit dem Velo weiter in Richtung Bischkek, Kirgisien.

Nach Türkistan sind am Horizont die ersten Vorboten des Tienshan Gebirges aufgetaucht. Berge hatte ich zum letzten Mal in der Krim gesehen, vor rund 4000km.
Bild: Die ersten Vorboten des Tienshan Gebirges.
Bild: Genau 7000 Kilometer kurz vor Schimkent.
Bild: Begeisterter Empfang in Temirlan.
Bild: Landschaft kurz vor Schimkent.
So viel zu meinen jahrzehntelang gepflegten Vegetarismus: Zum Nachtesen gibt es Schaffleisch und Kartoffeln (getränkt in Öl, damit es auch gut durch die Verdauungsschläuche rutscht), garniert mit Zwiebeln (dass beim Verdauen auch ordentlich Luft dazu kommt!). In Kasachstan ist das Hauptnahrungsmittel Fleisch, alles anderes ist Beilage. Gemüse habe ich in den Restaurants noch nie gesehen. Auf meinem Weg durch Kasachstan habe ich nun sicher schon ein ganzes Schaf gefressen und fühle mich wie ein Friedhof. Grauenhaft!
Bild: "Kurdak", ein traditionelles kasachisches Gericht.

Nursultan Nasarbajew, Präsident auf Lebenszeit "durch Gottes Gnaden", ist omnipräsent in Kasachstan. Keine Eröffnung einer Fabrik, einer Universität oder sozialen Einrichtung, die nicht von Nasarbajew persönlich durchgeführt wird, begleitet von jubelnden und Fähnchen schwenkenden Claqueren. Die gleichgeschalteten Medien, mehrheitlich kontrolliert von Präsidententochter Dariga Nasarbajewa, berichten über die Wohltaten des Präsidenten und kritisieren ihn zuweilen wohlwollend. Gegen die politische Opposition geht das Regime mit repressiven Methoden vor. Innenpolitisches Vorbild ist China.

Nasarbajew war zuerst Vorsitzender des Ministerrats der Kasachischen Sowjetrepublik und wurde 1990 durch den Obersten Sowjet zum Präsidenten der Sowjetrepublik gewählt. Nach dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 ließ sich Nasarbajew im nun unabhängigen Kasachstan für fünf Jahre in seinem Amt bestätigen. Mit einer neuen Verfassung und vorgezogenen Neuwahlen hat er sich 1995 die Machtbefugnisse zulasten des Parlaments erweitert und 1998 per Dekret die Amtszeit des Präsidenten von fünf auf sieben Jahre verlängert. Die Wahlen von 2005 hat er notabene haushoch gewonnen. Im Jahr 2007 wurde der Artikel der Verfassung, der die Amtszeit des Präsidenten begrenzte, abgeschafft. Nasarbajew gewinnt Wahlen in aller Regel mit über 90% der Stimmen. Die Opposition spricht von Wahlbetrug, die internationalen Wahlbeobachter von Unfairness. Durch das starke Wirtschaftswachstum Kasachstans geniesst Nasarbajew aber das Wohlwollen der Mehrheit der Kasachen.

Bild: Nursultan Nasarbajew, Präsident auf Lebenszeit "durch Gottes Gnaden".
Bild: Kurz vor Taraz sind im fahlen Gegenlicht die ersten schneegekrönten Gipfel des Tienshan Gebirges aufgetaucht. Ein wohltuender Anblick nach den Wochen in den endlosen Ebenen der Steppe.
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