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Ernst's Velotouren

  
 
 
 
 
 
Fahrradtour 2008 - 2013
Erste Etappe Schweiz - Thailand
Teil 9: West-China
, Oktober & November 2008
Bild: Höhenprofil Kaschgar - Lanzhou, 3200km
Endlich war der Montag gekommen und wir machten uns am frühen Morgen bereit, die Grenze nach dem viertägigen Feiertag zu überqueren. Die chinesischen Behörden aber wollten die Grenze wegen des Erdbebens noch für zwei weitere Tage geschlossen halten, während die kirgisischen Behörden auf Grund der zahlreichen Erdbeben-Überlebenden, die sie in den Zollgebäuden beherbergten, die Grenze einseitig öffneten. So standen wir schlussendlich den ganzen Tag zwischen Kirgistan und China, bis die chinesischen Behörden wenigstens für die Touristen die Grenze auch öffneten. So fuhren wir erst am späten Abend nach China hinein.
Bild: Der Grenzort Simhana. Endlich in China!
Da aber die ganze Landschaft noch immer von heftigen Nachbeben erschüttert wurde, zogen wir es vor ein paar Kilometer abseits der Grenzortschaft Simhana im Zelt zu übernachten. Während der Nacht zählten wir noch vier zum Teil heftige Nachbeben.
Bild: Übernachten abseits von möglicherweise kollabierenden Gebäuden. Die Nächte in den Hochtälern auf fast 3000m.ü.M. sind eisig.
Bild: Gruppenbild auf einem namenlosen Pass auf dem Weg nach Kaschgar (Foto von www.orobici.altervista.org)
Bild: Es geht endlich weiter durch die kalten Hochtäler des östlichen Pamir in Richtung Kaschgar. Die Landschaft ist knochentrocken und wir nähern uns sichtbar der Takla-Makhan Wüste.
Mao Zedong (1893 bis 1976), bestimmte nach der Ausrufung der Volksrepublik in seiner Funktion als Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas fast 30 Jahre lang die Geschicke des Landes. Seine grossen politischen Kampagnen hatten zumeist verheerende Folgen für das chinesische Volk. Allein "der grosse Sprung nach vorn" resultierte in der grössten Hungersnot der Weltgeschichte, der je nach Schätzung 40 bis 75 Milionen Menschen zum Opfer fielen. Weitere Millionen Menschen starben auch durch seine diktatorische Machtausübung, durch Enteignungen, Arbeitslager und nicht zuletzt durch seine letzte grosse Kampagne, der Kulturevolution. Maos wohl bekanntester Ausspruch, "Macht kommt aus dem Gewehr", widerspiegelt sich bis heute in der Situation der Menschenrechte.
Die VR China war während der gesamten rund dreißigjährigen Herrschaft Maos ein wirtschaftlich darniederliegendes, von politischen Verfolgungen gebeuteltes und, bis 1972, aussenpolitisch weitgehend isoliertes Land. Die kommunistische Partei hat noch immer die Alleinherrschaft inne, und die wissenschaftliche Aufarbeitung der Maodiktatur und ihrer Folgen für die Bevölkerung ist bis heute verboten.
Bild: Statue von Mao Zedong auf dem Volksplatz in Kaschgar. Während seiner Herrschaft starben Millionen Menschen an den Folgen politischer Kampagnen, diktatorischer Machtausübung und verfehlter Wirtschaftspolitik.
Bild: Uigurische Kinder in der Altstadt Kaschgars.
Wie lange die uigurische Kultur in den Städten noch bestehen kann ist sehr ungewiss. Schon heute, nach wenigen Jahren intensiver chinesischer Siedlungspolitik, ist das moderne, chinesisch geprägte Kaschgar um ein vielfaches grösser als die ursprüngliche Stadt. Und die chinesische Zentralregierung ermuntert weiterhin Millionen von Han-Chinesen in den so genannt autonomen Provinzen Xinjiang und Tibet zu siedeln, womit die einheimischen Kulturen rücksichtslos verdrängt werden.
Bild: Ein Bazarhändler in Kaschgar.
Bild: Das Mausoleum von Abakh Hoja, einem bekannten Herrscher von Kaschgarien.
In Kaschgar habe ich Jens aus Berlin getroffen, der mit seinem Fahrrad auch auf dem Weg nach Thailand ist. Wir haben beschlossen, bis Korla, rund 1000km, zusammen zu fahren. Nach drei Pausentagen in Kaschgar haben wir uns auf den langen Weg nach Südchina gemacht und sind der nördlichen Seidenstrasse entlang der Takla Makan Wüste in Richtung Ürümqi und Lanzhou gefolgt. Die drei talienischen Radler-Freunde Luca, Nazareno und Flavio sind über den Karakoram Highway nach Pakistan gefahren.
Bild: Unterwegs mit Jens aus Berlin.
Bild: Auf der nördlichen Seidenstrasse.
Bild: Albernde Uiguren-Mädchen.
Bild: Genau 10'000 km kurz nach Schiger in der Takla Makan Wüste.
Ein Mal mehr chinesiche Siedlungspolitik: Wo vor 10 Jahren noch eine kleine uigurische Oasenstadt war, steht heute ein vibrirende chinesische Stadt. Die ursprüngliche, uigurische Kultur ist hinweggefegt und die ansässige Bevölkerung Xinjiangs ist im eigenen Land vielerorts zur schwindend kleinen, fremden und benachteiligten Minderheit geworden.
Bild: Aksu an der nördlichen Seidenstrasse. Vor rund 10 Jahren stand hier noch eine kleine uigurische Oasenstadt.
Bild: Unendliche Weite entlang dem Nordufer der Takla Makan Wüste.
Bild: Bezaubender Sonnenuntergang.
Ein abrupter Wetterwechsel brachte bewölkten Himmel, Regen, Sturmwind und einen Temperatursturz von rund 10°C. In Höhenlagen von 2000m und höher schneite es (die nördliche Seidenstrasse liegt in diesem Teil konstant auf rund 1000m.ü.M.). Es bleibt nur zu hoffen, dass dies nicht der definitive Wintereinbruch ist, denn der Weg in wärmere Gefilde ist noch weit und Rad fahren bei solchen Bedinungen kaum noch ein Vergnügen.
Die Temperatur erholte sich nicht mehr und blieb deutlich unter 10°C für den weiteren Weg.
Bild: Die Wegweiser geben oft Rätsel auf, die nur durch vergleichen der Zeichen zu lösen sind. Immerhin die Hauptsache ist klar: Geradeaus gehts nach Korla.
Bild: Die Skyline von Korla. Mit der Ankunft in Korla ist rund ein Viertel der Strecke von West- nach Südchina (Chengdu) geschafft.

Ein Pause in Korla war nicht geplant. Da ich mir aber in den letzten Tagen eine Erkältung zugezogen hatte und sich diese zu einer ausgewachsenen Grippe entwickelte, musste ich 3 Tage ruhen. Wollte ich zuerst die Grippe noch aussitzen, entschied ich mich dann doch zu einer Behandlung mit entsprechenden Medikamenten.
Da sich die Kommunikation hier in China als äusserst schwierig herausstellt (ich habe innerhalb 3 Wochen noch niemanden getroffen, der auch nur ein bisschen Englisch spricht), ist selbst der Kauf von ein paar einfachen Medikamenten eine umständliche und oft missverständliche Angelegenheit. Wenigstens gibt es dabei immer viel zu lachen. Auf einer der Schachteln stand allerdings in Englisch noch etwas wegen Menstrautionsbeschwerden. Wenn das nur gut geht! Falls ich dann nach drei Tagen Behandlung plötzlich keinen Bartwuchs mehr habe, ist es wohl oder übel geschehen...

Bild: Unverständliche Verpackungen und Beschreibungen.
Nach drei Tagen war die Grippe so gut wie weg, der Bart wuchs noch wie vorher und die Stimme war auch nicht höher als gewohnt. Ein voller Erfolg also. Ich bin beruhigt. So bin ich von Korla in Richtung Turpan weitergefahren, überquerte den Argaybulak Pass und fuhr in einer 50km langen Abfahrt in die Senke von Turpan hinunter.
Bild: Abendstimmung auf dem Xinjiang Highway, kurz vor dem Argaybulak Pass. Die Wüsten-Berge sind noch immer Teil des Tien Shan.
Bild: Kann Wüste noch wüster sein? Der tiefste Punkt in der Senke von Turpan liegt 156m unter dem Meeresspiegel.
Ein Vegetarier auf Abwegen: Das einzige Menu, das ich bestellen kann, ist "Tsou Mian", gebratene Nudeln. Bleibt zu hoffen, dass die Fleischstückchen nicht Hund sind (bei den Chinesen weiss man ja nie!). Falls doch, so müsste ich auf meinem Weg durch China etwa einen halben Hund fressen! Eine grauenhafte Vorstellung!
Die gute Nachricht für alle Hundeliebhaber, die das Tier vornehmlich ausserhalb des Tellers lieben: Bei den Fleischstückchen handelt es sich um Schaffleisch (was es allerdings zumindest für die Schafe nicht weniger grauenhaft macht).
Bild: Tsou Mian
Bild: Camping in der Beischan-Wüste, die je nach geographischer Klassifizierung Teil der Gobi-Wüste ist. Die Nächte in der Höhe sind eisig (bis -14°C gemessen im Zelt), tagsüber bleiben die Temperaturen deutlich unter 10°C.
Bild: Kamale in ihrem natürlichen Umfeld.
In jedem Hotelzimmer gibt es, möge es auch noch so schäbig sein, einen Fernseher. Manche Sender strahlen zuweilen auch News in Englisch aus. Die Reportagen beschränken sich allerdings auf gute Nachrichten aus den Bereichen Landwirtschaft und Industrialisierung und den Wohltaten der Regierung für das Volk. Eine kritische und sachliche Berichterstattung über politische Themen gibt es nicht.
Bild: Englische Nachrichten im Sender "Xinjiang TV-2".
Mit der Ankunft in Jiayugan habe ich das westliche Ende der Grossen Chinesischen Maue erreicht und somit das Tor zum alten, dynastischen China. Dieser Ort ist auch das Ende der Seidenstrasse.
Die Grosse Chinesische Mauer ist mit 6.350 km Länge und auch hinsichtlich Volumen und Masse das größte Bauwerk der Antike. Dabei besteht die Mauer aus einem System mehrerer teilweise auch nicht miteinander verbundener Abschnitte unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Bauweise. Der auf dem Bild zu sehende Abschnitt der Mauer stammt aus der Ming Dynastie und wurde um ca. 1540 erbaut.
Bild: An der Grossen Chinesischen Mauer.
Herzstück der antiken Befestigungsanlage um Jiayugan ist das Fort aus dem Jahr 1372, das den Pass überwacht, der zwischen den schneebedeckten Gipfeln der Qilianschan- und Heischan-Gebirgszüge verläuft. Vom Osttor des Forts hat man im Kaiserreich auch Intellektuelle, Dichter, Minister und allerlei Nichtsnutze und Tunichtgute in die Verbannung geschickt.
Bild: Ein Blick durch das Tor der Erleuchtung zum Tor der Versöhnung.
Bild: Malerei auf einer Türe des Wohnbereichs des Forts.
In den immer häufiger auftretenden Oasen auf meinem Weg zeigt sich, dass der Herbst schon sehr weit fortgeschritten ist. Inzwischen habe ich es bis ca. 600km vor Lanzhou geschafft. Allerdings fehlen ab Lanzhou noch ca. weitere 800km bis in wärmere Gefilde.
Bild: Spätherbst in der Provinz Gansu.
Bild: Einer der letzten Schlafplätze in der Wüste. Mehr und mehr macht die Wüste landwirtschaftlich genutzten Feldern platz.
Der Buddhismus wurde in China während den Jahrzehnten unter dem tyrannischen Regime der kommunistischen Partei fast komplett ausgemerzt, ganz gemäss Karl Marx, der Religion als Opium für das Volk bezeichnete. Die ehemals vor Leben vibrierenden buddhistischen Tempel und Klöster haben heute grösstenteils nur noch den Status von Museen und werden kommerziell ausgeschlachtet: Eintritt umgerechnet 5 € (was rund 10 einfachen Mittagessen im Restaurant entspricht).
Bild: Malerei in einem ehemaligen Tempel in Zhangye, die den lehrenden Buddha Sakyamuni zeigt.
Bild: Zentrale Kreuzung in Yongchang in der Abenddämmerung.
Trotz aller Bemühungen dem Winter davon zu fahren, ist ein paar Fahrtage vor Lanzhou definitiv die grimmige Winterkälte über Nord- und Westchina hereingebrochen. Die maximalen Tagestemperaturen erreichen kaum noch die Fünf-Grad-Grenze, nachts herrscht grimmiger Frost und gelegentlich rieselt leise der Schnee.
Mit der Ankunft am Gelben Fluss aber habe ich die lange Strecke durch die Wüsten und Steppen Westchinas abgeschlossen und befinde mich nur noch ein paar hundert Kilometer entfernt von der deutlich milderen Klimazone Südchinas.
Bild: Kurz vor Lanzhou am Gelben Fluss, der, wie man sagt, auch die Reis- und Nudelgrenze bildet.
China deckt rund 70% seines Energiebedarfs aus Kohle und hat spätestens seit diesem Jahr die USA als grössten CO-2-Umweltsünder und -verschmutzer abgelöst und produziert inzwischen rund 40% der weltweiten Schadstoffemissionen. Die Volksrepublik China hat das Kyoto-Protokoll unterzeichnet, als Schwellenland gibt es für sie jedoch keine Restriktionen zum Ausstoss von Treibhausgasen. In einem im April 2007 veröffentlichten Bericht hat die Regierung erklärt, dass sie sich in erster Linie auf das Wirtschaftswachstum und erst in zweiter Linie auf den Klimaschutz konzentrieren werde (wie alle anderen Länder übrigens auch...).
Bild: Kohlekraftwerk bei Lanzhou. Ein einzelnes dieser Kraftwerke verbrennt jährlich die unvorstellbare Menge von etwa 1.8 Millonen Tonnen Steinkohle - und weltweit gibt es tausende davon.
Im Schneegestöber und Lichtermeer Lanzhous. Es ist definitiv Winter. Da beinahe ausschließlich mit Kohle geheizt wird, erreicht die Luftverschmutzung in der kalten Jahreszeit ihren Höhepunkt und hält, auf Grund der Kessellage der Stadt, den Himmel fast durchgehend grau.
Bild: Schneegestöber in Lanzhou. "Leise rieselt der Schnee".
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